Als mein Vater acht Jahre alt war, wäre er im Schwimmteich hinter unserem Haus einmal beinahe ertrunken. „Und weißt du, wer mich damals herausgefischt hat und mir das Leben gerettet hat?“, fragte er mich, als ich meinerseits acht Jahre alt war und er mich mit seiner Erzählung vor den Gefahren des tiefen Wassers warnen wollte, „der Gottlieb!“ Gottlieb war unser Nachbar, er ist ein Jahr älter als mein Vater und lebte in der Zeit meiner Kindheit mit seiner Familie direkt neben unserem Haus. Doch die Geschichte, die es hier zu erzählen gilt, begann viele Jahre früher … im Dezember 1932. Ein heftiger Schneesturm fegte über das Land. Der Postbus, der einmal täglich von der Bezirksstadt heraufkam, schaffte es mit überhitztem Kühler und dampfend wie eine Lokomotive gerade noch bis zum Lindenwirt am nördlichen Ausgang des Ortes. Meterhohe Schneeberge auf der Straße machten eine Weiterfahrt unmöglich. Eine sehr besondere Fracht bereitete dem Buschauffeur wirklich ernsthafte Sorgen. Unten in der Bezirksstadt hatte nämlich eine resolute Frau ihm ein in grobes Leinen gewickeltes Bündel mit den Worten anvertraut: „Du fährst ja mit deinem Postbus beim Bichlbauer vorbei, da schau her, ich hab da ein Kindl am Arm, das müsstest du mir bei der Bichlbauer Mitzi abgeben, die gute Frau hat versprochen, das Hascherl aufzunehmen. Bist du so gut und machst du das für uns?“ So war der Gottlieb also damals zu uns ins Dorf gekommen …
Herausgeber : Hager, Wolfgang (1. November 2023)